© Sarah Baldy

Fundstück

Poesiealbum aus dem 19. Jahrhundert

Fundstück des Monats Oktober 2020

Geburtsurkunde Emma Windgassen
© Stadtarchiv Remscheid

Das Fundstück des Monats Oktober kehrte im vergangenen Sommer nach einer langen Odyssee zurück ins Bergische Land. Es handelt sich um ein im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts begonnenes Album – damals noch „Stammbuch“ genannt -  dessen älteste Eintragung vom 25. August 1875, die letzte vom 18. Januar 1889 stammt. Eine Dame aus Norddeutschland hatte das Album, der schönen Handschrift wegen, in Dortmund auf einem Antik- und Trödelmarkt gekauft und mit an die Kieler Förde genommen. Den Einträgen konnte sie entnehmen, dass die Schreiberin aus Remscheid stammte, und so überließ sie es freundlicherweise dem Stadtarchiv Remscheid. Schnell war die Neugier geweckt: Ein Hinweis auf die Besitzerin des Albums fehlte – würde es dennoch möglich sein, etwas über sie herauszufinden? Vom Vornamen abgesehen (die junge Dame hieß Emma) gab es keinen Anhaltspunkt. Jedoch gaben die jeweiligen Einträge Auskunft darüber, um welche Freunde oder Familienmitglieder es sich handelte. Die noch unbekannte Emma hatte viele Freundinnen und Freunde:  Helena Schmidt, Eugenie Müller, Pauline Hackenberg, Klara Wellershaus, Bertha Rehbein, Alwine, Helene und Matilde Peiseler, Aline und Friedrich Fleischmann, Richard Engels, Emma Dienes, Maria und Salomo Hindrichs und einige andere mehr. Alles in Remscheid altbekannte Familiennamen. Vermutlich würde auch Emma einer der alteingesessenen Remscheider Familien angehören, so der Gedanke. Hilfreich bei der Recherche waren die Einträge der Verwandten: Emma hatte eine Schwester namens Hulda („Lebe glücklich, lebe froh, wie der Mops im Bohnenstroh“!), die aber verständlicherweise ebenfalls nicht mit Nachnamen unterzeichnet hatte, und einige Cousinen und Cousins. Ein Vetter namens P. Scheer hatte sich eingetragen, außerdem fanden sich drei Einträge, die jeweils mit „Theure Nichte!“ eingeleitet wurden und von Anna, Hermann und Albert Windgassen stammten. Der Verdacht lag nahe, dass Emma in einer dieser beiden Familien zu suchen wäre. Das Alter der Schreiberin konnte in etwa geschätzt werden, nämlich 13-20 Jahre, und so machten wir uns auf die Suche nach einer Emma Windgassen, die zwischen 1855 und 1862 geboren wurde. Tatsächlich wurden wir fündig: Am 24. Juni 1861 wurde in Remscheid ein Mädchen namens Emma Windgassen geboren. Ihr Vater war der Kesselschmied Eduard Windgassen, die Mutter hieß Laura Strünkelnberg und war die Tochter des Armenhausverwalters in der Lobach, Friedrich Strünkelnberg. Die ein Jahr ältere Schwester Hulda heiratete im November 1881 den aus Dabringhausen stammenden Fabrikanten Ewald Hindrichs. Eine Verbindung, die den Familien der Brautleute wohl gefallen haben dürfte, denn Jahre zuvor (einer unbelegten Quelle zufolge schon 1859) hatten beide Väter die Firma „Remscheider Stanz- und Emaillierwerke Windgassen & Hindrichs“ gegründet (ursprünglich sogar "Windgassen, Hindrichs und Krumm"). Emma selbst hat nie geheiratet. Sie starb am 23. Juli 1929 im Alter von 68 Jahren in ihrem Elternhaus, Vieringhausen 54. Die Verse und Widmungen, die ihr Freunde und Verwandte vor 150 Jahren ins Poesiealbum schrieben, erinnern an diese Remscheiderin – für immer.

 

Verfasst von: Viola Meike

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