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Fundstück

„…so sanft, wie die Umarmung einer Mutter“ - Erinnerung an den Freiballonaufstieg am 15. August 1905 über dem Blumental

Fundstück des Monats März 2024

Der 15. August 1905 war ein besonders heißer Sommertag – ideal für den Aufstieg des Ballons „Barmen“. Kurz vor Mittag erfolgte der Aufstieg vom Weideland der Familie Mannes in der Blumentalstraße aus. Bei leichtem Nordostwind ging die Fahrt zunächst Richtung Elberfeld. Ballonführer war Rechtsanwalt Dr. Niemeyer aus Essen, als weitere Passagiere waren der Remscheider Fabrikant vom Bauer und der Chefredakteur des Remscheider General-Anzeigers Hugo Stobitzer mit an Bord. Vierter im Bunde sollte der Remscheider Architekt Alexander Mannes sein, doch war das Gewicht von vier Personen für den Ballon zu viel – einer musste zurückbleiben, der durch Los bestimmt wurde, und das Los fiel auf den Mann, von dessen Grund und Boden der Ballonaufstieg stattfand. Ob die Enttäuschung darüber, den Aufstieg von unten beobachten zu müssen, überwog, oder doch eher die Erleichterung angesichts der bekannten Anzahl von Unglücksfällen und der Tatsache, dass erst zwei Monate zuvor zwei Remscheider bei einem Ballonabsturz ums Leben gekommen waren? An dieser Stelle sei daran erinnert, dass im Juni 1905 ein Ballon vor der Küste von Scheveningen ins Meer stürzte und Julius, den Sohn des Remscheider Seifenfabrikanten Georg Flögel, sowie den Ingenieur und Patentanwalt Engelbert Volmer aus Bliedinghausen mit in den Tod riss.

Was war geschehen? Engelbert Volmer hatte zuvor schon dreimal als Passagier an Ballonfahrten teilgenommen und im Remscheider General-Anzeiger vom 26. Juli 1902 einen sehr ausführlichen Artikel über die technischen Anforderungen des Ballonfahrens und insbesondere über die damit verbundenen erheblichen Gefahren für Leib und Leben veröffentlicht. Anlass des Artikels war der möglicherweise wirklich erste Ballonaufstieg in Remscheid, der am 15. Juli 1902 von den Gartenanlagen des Gastwirts Sebastian Servé zu Birgderkamp unter musikalischer Begleitung durch die Feuerwehrkapelle des Alexanderwerks stattgefunden und an dem Volmer selbst ebenfalls teilgenommen hatte. Führer des Ballons mit Namen Meteor war damals „der berühmte Luftschifferkapitän Paul Wilson“. Engelbert Vollmer, der Ingenieur, kannte die Gefahr, die von „Ballonsprüngen“, von falsch berechnetem oder zur Unzeit abgeworfenem Ballast, von Sturmwinden, Bäumen und Sträuchern oder dem plötzlichen Abkühlen der Luft ausging; er nannte es „die Regel bei den Luftschiffern, stets im Korbe zu bleiben und auch bei der tollsten Schleppfahrt nicht herauszuspringen“ – natürlich nicht ahnend, dass er selbst bei seiner vierten Ballonfahrt tödlich verunglücken sollte, die er erstmals selbständig als Fahrer zusammen mit Julius Flögel unternahm, der an diesem Unglückstag, den 13. Juni des Jahres 1905, achtzehn Jahre alt wurde. Was letztlich die Katastrophe ausgelöst hatte, ist nicht bekannt. Der Ballon hatte eine Höhe von 3100 Metern erreicht und befand sich in der Nähe des Nordseestrandes – irgendwann stürzte der Ballon ins Meer, wurde an Land gespült, und Engelbert Volmer wurde tot am Boden des Korbes aufgefunden. Er war tatsächlich nicht herausgesprungen. Sein jugendlicher Begleiter indes blieb verschollen. Interessanterweise konstatierte man bei dem Remscheider Ingenieur im Nachhinein Nachlässigkeit: der Ballon führte keinen Anker mit und hatte „Außenballast“, was schon damals als gefährlich galt.

Doch zurück zu unserem Fundstück des Monats. Es war die 81. Fahrt des Ballons „Barmen“. Die Füllung begann am 15. August 1905 gegen 8 Uhr morgens. Leider erwies sich die vorgesehene Belastung des 1600 Kubikmeter Gas fassenden Kolosses wegen der bereits sehr heißen Lufttemperatur und der dadurch hervorgerufenen starken Spannung als zu hoch, so dass, wie erwähnt, ein Passagier zurückbleiben musste. Um 11.18 Uhr schließlich erfolgte das Kommando „Lasst los!“ und schon im nächsten Augenblick konnten die Insassen die atemberaubende Aussicht genießen – mit einem grandiosen Fernblick über Täler und Höhen, über die Müngstener Brücke, Schloß Burg und die Eschbachtalsperre. Weiter ging die Fahrt über Elberfeld und Barmen – bei wolkenlosem Himmel störte auch der Qualm aus den Fabrikschloten der Wupperstädte nicht den phantastischen Gesamteindruck. Ganz ohne Schaden ging die Fahrt aber doch nicht über die Bühne: In launigem Ton berichtete Redakteur Hugo Stobitzer am nächsten Tag im RGA, dass „die landschaftlich recht anmutige Gegend in einer Minute um eine Hecke und einen Kamin ärmer geworden“ sei. Und räumte ein, dass das Gezeter der Eigentümer die Ballonfahrer „im Vollgefühl der Sicherheit nicht weiter berührte“. Weiter ging die Fahrt über Langenberg, Velbert, Hattingen und Bochum – mit Ausblick auf Essen und die Villa Hügel, wie Stobitzer nicht unerwähnt ließ. Man überquerte den Dortmund-Ems-Kanal, überschritt hinter Herne die Emscher und stand dann in 1700 m Höhe über Herne und Wanne. Nach vierstündiger ruhiger Fahrt setzte der Ballon schließlich auf einer weiten Heide um 15.15 Uhr „nach kräftigem Ventilzug und Reißbahnschlitzung mit einer sehr glatten Landung auf, die so sanft war, wie die Umarmung einer Mutter“, wie es Stobitzer blumig beschrieb.

Der Ballon „Barmen“ wurde umgehend instand gesetzt und stieg schon wenige Tage später, am 24. August 1905, an derselben Stelle erneut unter der Leitung von Dr. Niemeyer auf. Diesmal ging die Fahrt in Richtung Radevormwald, und es durfte neben dem Tierarzt Dickmann endlich auch der Architekt Alexander Mannes mitfahren. Doch dieses Mal war der Wettergott nicht durchgängig auf Seiten der Ballonfahrer, dichte Wolken bildeten sich nämlich über der Ennepetalsperre. Durch die Feuchtigkeit sank der Ballon aus einer Höhe von 1300 Metern sehr schnell auf nur 60 Meter herab, so dass das 140 Meter lange Schlepptau durch das Wasser schleifte. Doch auch diese Fahrt ging zum Glück gut aus, und alle drei Passagiere konnten nach der Landung in der Nähe von Westheim im Sauerland unbeschadet mit der Eisenbahn nach Hause zurückkehren.

© KreisMedienZentrum (KMZ) Bad Kreuznach

Paul Unglaube (1871–1942) vollführte zusammen mit seiner Frau Elvira bei Volksfesten und anderen Gelegenheiten sogenannte „Gymnastische Luftballon-Fahrten“. Sie traten als Paul Wilson und Miss Elvira auf. Der aus Berlin stammende Paul Unglaube war gelernter Mechaniker und seit dem 21. Lebensjahr als Artist tätig. 1893 begann er seine Vorführungen mittels selbstgebauter Kugelballons, die mit Leucht- oder Wasserstoffgas befüllt wurden. Seine Frau absolvierte schon mit 13 Jahren den ersten Ballonaufstieg und brachte es, vielleicht, weil sie eine Frau war, zu größerem Ruhm als ihr Mann. Der Ballon Meteor, der am 15. Juli 1902 in Remscheid gestartet war, nahm 4 Jahre später ein unglückliches Ende: Im August 1906 zerschellte er in der Nähe vom Hamburg und brachte der Ballonfahrerin, Elvira Wilson, den frühen Tod.

Ursprünglich zu militärischen Zwecken entwickelt, erfreuten sich Ende des 19. Jahrhunderts Ballonaufstiege, zumeist durch Luftakrobaten ausgeführt, auf Volksfesten großer Beliebtheit. Es wurde von den Zuschauern natürlich ein Eintrittsgeld verlangt. Die erste deutsche Ballonfahrerin und Fallschirmspringerin war Käthe Paulus (1868-1935). Sie begann als Luftakrobatin zusammen mit ihrem Partner Hermann Lattemann, der 1894 bei einer Vorführung tödlich verunglückte. Käthe Paulus, die später unter dem Künstlernamen „Miss Polly“ auftrat, erfand übrigens den Paketfallschirm, den sie sich patentieren ließ und der noch heute genutzt wird. Im Ersten Weltkrieg produzierte sie 7000 Fallschirme für das Kriegsministerium.

 

Verfasst von: Viola Meike

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