Mit einer Breite von 2 m und einer Höhe von 1,50 m (inkl. Rahmen) muss das Gruppenbild den Besuchern sofort ins Auge gesprungen sein. Das mag auch die Intention der Veteranen gewesen sein, als sie ihr Gruppenbild am Morgen des 30. Oktober 1901 zum Start der Stadtverordneten-Versammlung als Geschenk an die Stadt Remscheid übergaben. Der Vorsitzende des Veteranen-Vereins, Herr David Wüster, hielt eine Ansprache an das Kollegium. Bürgermeister [Otto] Nollau nahm im Namen der Stadt das Bild mit bestem Dank entgegen und versprach einen würdigen Platz im Rathaus bereitzustellen. Geheimrath [Johann Carl] Friederichs gedachte in seiner Rede der vergangenen Kriege und beklagte, daß für die Veteranen noch nicht hinreichend gesorgt sei. Das Deutsche Reich müsse helfend eingreifen. Für die Erstellung des Gruppenbildes wurde der Fotograf Adolf Regensburger aus der Elberfelder Str. 28 beauftragt. Der Rahmen des Bildes wurde vom Bauunternehmer Sander aus der Elberfelderstraße hergestellt und von Herrn Gustav Kampmann eingerahmt. Das Gruppenbild war für das neue Rathaus gedacht. Die feierliche Enthüllung des im Ratssaal aufgestellten Gruppenbildes erfolgte am 29. Oktober 1901 im alten Rathaus an der Elberfelderstr. 48. Der Vorsitzende Wüster bedanke sich in seiner Ansprache für das Wohlwollen der Stadt, welches sie den Veteranen und den hilfsbedürftigen Witwen und Waisen der verstorbenen Kameraden haben zuteil werden lassen. Er bedankte sich ebenfalls bei Geheimrath Friederichs für seine großzügigen Unterstützungen in den letzten Jahren. Bürgermeister Nollau deutet in seiner Ansprache an, dass das Bild auch im neuen Ratssaal seinen Platz finden werde. Die Versammlung sicherte den Veteranen zu, einen besonderen Vorhang zu besorgen, der die Photographien gegen die Sonnenstrahlen schützen soll. Wann das Werk den Weg ins Haus Cleff fand, und ob es dort ebenfalls ausgestellt wurde, bleibt bisher im Dunkeln.
Die fotografischen Arbeiten
Adolf Regensburger meldete sich am 10. Januar 1900 als Photographenlehrling von Köln kommend in Remscheid an. Hier wohnte er in der Elberfelder Str. 28, dem Geschäftshaus des Fotoateliers Rudolf Schneppendahl, dessen Witwe das Atelier nach dem Tode ihres Mannes Anfang 1895 durch Engagement erster Kräfte weiterführte.
Hier wird er vermutlich beim Pächter des Fotoateliers Rudolf Schneppendahl, Herrn Chr. Mundt, gearbeitet haben, bevor er selbst das Atelier im Mai 1900 als Pächter übernahm. Er firmierte als Rudolf Schneppendahl´s Nachfolger, Inhaber A. Regensburger. Die Fotografien der Mitglieder des Veteranen Verein wurden vom ihm angefertigt und dann dem Maler F. Schuppmeyer in Köln zur Erstellung einer Collage zur Verfügung gestellt.
Regensburger wählte als Fotomotiv das Gruppenbild aus, um die hohe Anzahl an Vereinsmitgliedern in überschaubarer Zeit abbilden zu können. Er rief ab dem 7. Juni 1900 die Mitglieder des Vereins über mehrere Anzeigen in den Zeitungen auf, zur Aufnahme für das große Gruppenbild sobald wie möglich in seinem Atelier zu erscheinen. Die Aufnahmen finden gruppenweise statt.
Es haben sich auch Veteranen im Atelier eingefunden, die noch nicht Mitglied im Verein waren. Daher informierte Regensburger in einer weiteren Anzeige vom 15. Juni 1900 die Veteranen darüber, dass sie erst Mitglied im Verein werden müssen, bevor sie fotografisch aufgenommen werden könnten. Er bat auch darum, mit einem dunklen Zivilanzug und einer Veteranenmütze zu erscheinen. Um die Jahrhundertwende war ein dreiteiliger schwarzer Herrenanzug mit kurzer oder langer Jacke (fast knielang), Weste und Hose üblich. Dazu trug man ein weißes Hemd mit gestärktem Kragen und einer schwarzen Halsbinde (Beffchen). Den Anzug schmückte eine Taschenuhr, verschiedene Orden, das Vereinsabzeichen und eine Schirmmütze. Drei Veteranen tragen die Preußische Uniform mit Pickelhaube, darunter auch der Rittmeister a.D. Moritz Hasenclever. Vorne im Zentrum rechts neben dem Vorsitzenden David Wüster am aufgemalten Postament wurde der bereits verstorbene Ehrenvorsitzende, der Geheime Regierungsrat Oberbürgermeister Ludwig von Bohlen, Major der Landwehr, positioniert. Die meisten Veteranen tragen Vollbärte oder einen Oberlippenbart; nur wenige sind glattrasiert. Einige rauchen während der fotografischen Aufnahme. Die Remscheider Zeitung berichtet am 21. Juni 1900 über die bevorstehende Fertigstellung des Gruppenbildes: Bisher sind bereits fast 150 Mitglieder aufgenommen worden.
Es muss noch Probleme bei der fotografischen Erfassung der Veteranen gegeben haben, da sich Regensburger genötigt sah, eine weitere Anzeige aufzugeben. Die Veteranen von Remscheid-Hasten-Büchel wurden aufgefordert, am Dienstag dem 24. Juli 1900 Abends um 17.30 Uhr bei Hermann Voß zur fotografischen Aufnahme anzutreten. Der Vorstand des Veteranen Vereins sah sich ebenfalls gezwungen, am 24. und 25. August 1900 eine weitere Anzeige aufzugeben, in der er alle Mitglieder, die sich bisher nicht hatten ablichten lassen, aufrief, bis Sonntag den 2. September 1900 diese Aufnahme im Atelier des Fotografen Regensburger noch nachzuholen. Dies sei die letzte Möglichkeit eine Aufnahme zu machen.
Der Fotograf Regensburger stellte das fertige Gruppenbild in seinem Atelier aus. Der Remscheider-General-Anzeiger berichtet in seiner Ausgabe vom 28.10.1900 über die große Anziehungskraft dieser Ausstellung. Das Bild sei für das neue Rathaus bestimmt. Jeder Veteran sei in vortrefflicher Weise auf dem Bild wiedergegeben. Das Bild wird als höchst gediegen bezeichnet.
Regensburger verfügte über eine Anzahl von Ateliermöbeln, die wir auf dem Gruppenbild wiederfinden. Da ist ein kleiner runder Tisch, ein schnörkelloser Stuhl, ein stark verzierter Barocktisch, eine kleine und große Bank im barocken Stil mit einer Balustrade als Rückenlehne, ein barockes Postament mit aufgesetzter Pflanzvase, eine halbrunde Balustrade, an die man sich anlehnen oder aufsetzen konnte. Die meisten Möbelausstattungen finden sich bereits auf den Fotoarbeiten seines Vorgängers Rudolf Schneppendahl wieder.
Das Gruppenbild hatte sicherlich eine große Sogwirkung und brachte dem Verein neue Mitglieder. Daher muss der Vorstand sich entschieden haben, ein zweites Bild anfertigen zu lassen. Vermutlich konnten die neuen und fehlenden Mitglieder nicht mehr in die Kulisse des ersten Bildes integriert werden. Er rief am 31.03.1901 alle neuen Mitglieder und alle Mitglieder, die noch nicht auf dem Gruppenbild verewigt waren, auf, am Sonntagmorgen um 11 Uhr sich mit Vereinsmütze, Orden und Ehrenzeichen beim Fotografen Regensburger einzufinden, um fotografisch aufgenommen zu werden. Es entstehen den Mitgliedern keine Kosten. Die Vereinsunterlagen dokumentieren allerdings ein anderes Bild. Hier sinkt die Mitgliederzahl des Vereins von 290 im Jahre 1897 auf 245 im Jahre 1901. 1902 werden lediglich 248 Mitglieder gemeldet. Fotografisch wurden auf dem Gruppenbild 217 Personen aufgenommen, das sind 28 Mitglieder weniger als die eingetragene Mitgliederzahl. Es konnten somit nicht alle Mitglieder aktiviert werden. Die Gründe dafür sind nicht dokumentiert.
Die Vorgehensweise, Gruppenfotos anzufertigen, war für den Fotografen Regensburger zeitsparend, ließ sich aber nicht ganz durchhalten, da auch eine Vielzahl von Einzelaufnahmen im Bild integriert wurden.
Das zweite Gruppenbild wurde am 7. April 1901 (erster Osterfeiertag) im Vereinslokal Hotel-Restaurant „Reichshof“ ausgestellt. Die Zeitungen berichten über eine schöne Ausführung und eine vorteilhafte Gesamtwirkung. Die Übergabe des Gruppenbildes an die Stadt Remscheid erfolgte dann am 30. Oktober 1901.
Über den Verbleib des ersten Gruppenbildes gibt eine kleine Notiz in der Remscheider Zeitung vom 4. November 1901 Auskunft. Die Zeitung vermeldet die Übergabe eines Gruppenbildes der Mitglieder des Veteranen Vereins am Vortag an Herrn Geheimrath Friederichs, als ein Zeichen der Dankbarkeit und Verehrung. Ob das erste Bild in gleicherweise ausgeführt wurde und wo sich das Bild heute befindet, ist nicht bekannt.
Die Maler- und Collagearbeiten
Der Maler F. Schuppmeyer aus Köln schuf die Collage, die der Fotograf Adolf Regensburger im Auftrage des Veteranen Verein bei ihm beauftragte. Der Fotograf wird den Maler instruiert haben, in welcher Weise er das Bild für die hier gestellte Aufgabe anfertigen sollte.
Schuppmeyer malte mit Aquarellfarben in verschiedenen Grautönen eine leicht nach vorne abschüssige, parkähnliche Freifläche. Im Vordergrund sieht der Betrachter eine dunklere Fläche mit Holzbalken, einem Bretterzaun, einem Strauch, einem Baumstumpf, einigen Gräsern und einem großen Steinhaufen. Über eine steinerne Treppe am linken Rand des Bildes erreicht der Betrachter den kleinen Eichenwald, der sich in der linken oberen Ecke befindet. Im Hintergrund des Bildes befinden sich weitere Bäume und kleinere Sträucher, die das Bild zum Himmel abschließen. Der Horizont deutet durch seinen welligen Verlauf Höhen und Senken an, die nicht von Bäumen und Sträuchern begrenzt werden. In den Senken erkennen wir Fotografien der Eschbachtalsperre, einer Ansicht von Remscheid, des Ehrenmals der gefallenen Krieger und der Kaiser-Wilhelm-Brücke, die sehr präzische beschnitten und eingepasst sind. Die Übergänge zum Himmel, zur Freifläche und den Bäumen wurden übermalt, damit sie nicht sichtbar blieben. Heute erkennen wir diese Übergänge deutlicher, da sich die Farben an diesen Stellen verfärbt haben. Auf diese Freifläche wurden dann die Gruppen- oder Einzelfotografien der Mitglieder des Veteranen Verein in stehender oder sitzender Weise aufgeklebt. Einzelne Mitgliederfotos wurden vor den Gruppen hinzugesetzt. Bei manchen Mitgliedern lagen nur Portraitfotos vor, daher wurde kurzerhand der Körper eines anderen Mitglieds genommen und auf diesen Körper der Portraitkopf aufgesetzt. Auch wurden vereinzelt fehlende Beine durch Bemalung ergänzt. Sitzgelegenheiten wie Kisten, Fässer, Steine und ein Postament wurden in der vorderen Mitte aufgemalt. Fehlende Schirmmützen wurden entweder aufgemalt oder von anderen Personenbildern ausgeschnitten und der Person aufgeklebt. Im hinteren Bereich sehen wir den Fahnenträger, eingerahmt von jeweils sieben Adjutanten mit Gewehren. Die Sonne scheint von links oben, da bei den meisten Fotografien entsprechender Schatten auf dem Boden aufgemalt sind. Abschließend erhielt jedes Personenfoto eine Nummerierung. Am unteren Rand, links und rechts der großen Schmuckpapierrolle, wurden dann die Nummerierungen mit den dazu passenden Namen der Personen verzeichnet. In der Mitte des unteren Randes schmückt eine Papierrolle diese großformatige Collage mit der Aufschrift „Veteranen Verein Remscheid“. Diese Schmuckrolle wird umschlungen von Eichenranken. Unter der Rolle finden wir die Auflistung der Kriege, in denen die Mitglieder des Vereins gekämpft haben: 1864, 1866 und 1870-71.
Vieles bleibt noch zu entdecken
Das Gruppenbild der Veteranen birgt sicherlich noch weitere Geheimnisse, die es in Zukunft zu entdecken gilt. Sollte Menschen, die Familienforschung betreiben, eine Abbildung ihres Vorfahren fehlen, dann haben sie jetzt die Gelegenheit, auf diesem Bild fündig zu werden. Die Collage ist beispielhaft für die arbeitsteilige Zusammenarbeit von Maler und Fotograf. Eine intensive Detailbetrachtung hat uns den Entstehungsprozess und die Arbeitsweise der beiden Künstler sichtbar gemacht.
Das Gruppenbild muss bereits vor der Zerstörung des Remscheider Rathauses im zweiten Weltkrieg ausgelagert gewesen sein, sonst könnten wir heute dieses beeindruckende Werk nicht mehr bewundern. Fotografiert von einem jungen, 23jährigen Fotografen, der kein großes Glück in seinem Beruf hatte und ins Gastgewerbe wechselte. Gemalt und collagiert von einem Maler, der heute in Vergessenheit geraten ist.
Verfasst von: Thomas G. Halbach